Die Hügelgräber
von Reken
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Es war gen Herbst im Jahre 1623. Als ein
junger Priester, geschickt vom münsterschen
Domkapitel , zur Untersuchung eines höchst
seltsamen Vorfalles in die Gegend um das
Dorfe Großreken gelangte.
Seit langer Zeit gab es hier, in der Nähe einer
kleinen Kapelle, inmitten des Laubwaldes am
Rande des Kreuzweges, eine wundersame
Quelle. Diese sollte, so erzählte es sich das
Volk, sobald man sich mit ihrem Wasser
wusch, alle Leiden heilen können.
Nun trug es sich zu, dass ein spanischer
Soldat großen Frevel an der Quelle und dem
dort lebendem Eremit beging. Seitdem soll
die Quelle versiegt und der Eremit
verschwunden sein. Eben dies sollte, frei vom
Geschwätz der einfachen Leute und dem
Beiwerk einfältiger Geschichtenerzähler,
genauestens untersucht und dem Bischof
persönlich berichtet werden.
Da das Geschlecht der von Merveldt zum
protestantischen Glauben gewechselt war,
wollte es der Priester nicht riskieren auf
deren Ländereien gesehen zu werden und so
war er gezwungen durch das Venn am
Waldrand von Reken zu gehen. Das Volk
erzählte sich so manch seltsame und
schaurige Geschichte über das uralte Moor,
doch der Priester war trotz seiner noch
wenigen Lebensjahre fest im Glauben und
vertraute vollends auf den Herrn.
Munteren Schrittes ging er voran und freute
sich ob des milden Herbstages. Es war um die
Mittagstunde, als der junge Kirchendiener
zum ersten Male einen seltsamen Nebel
wahrnahm, der, so schien es, mit seinem
Schritte mithaltend, am Wegesrand dahin
waberte. Mehr an einen Zufall als an Hexerei
glaubend, beachtete er diesen aber nicht
weiter und ging unbeirrt seines Weges. Sogar
als der Nebel seinen Weg urplötzlich zu
versperren schien, setzte er, sich zwar
bekreuzigend aber dennoch festen Schrittes,
seinen Weg fort.
Doch, als er dann den Nebel erreichte, und
ab diesem Augenblicke seine Hand nicht
mehr vor seinem Auge sehen konnte,
verlangsamte er seinen Schritt, bis er
schließlich zur Gänze stehen blieb. Eisige
Kälte umfing seine Glieder, kein Geräusch
drang mehr an seine Ohren. Stundenlang
irrte er durch den nicht enden wollenden
Nebel, er schrie um Hilfe, doch niemand
schien ihn zu hören. Als die Abendstunden
nahten und das Licht der Sonne zu versiegen
drohte, beschlich den Priester eine grausige
Panik. In seiner Verzweiflung warf er sich auf
die Knie und begann zu beten, der Herr möge
ihn leiten und erretten aus seiner Not.
Plötzlich tat sich der Nebel auf und eine
kleine Lichtung kam zum Vorschein. Der
Priester sprang auf, dankte dem Herrn und
betrat die Lichtung.
Ein seltsamer Ort war dies, nur Moos und
Flechten schienen dort zu gedeihen. Inmitten
der Lichtung waren drei, etwa zwei
Mannslängen hohe, völlig überwucherte
Hügel. Davor stand ein krummer Steintisch,
auf dem ein seltsamer, kleiner Mann saß. Der
Zwerg war in ein Fell gehüllt und trug eine
schlichte Krone aus Bronze.
„Bitte, fürchte dich nicht. Ich bin nur ein
Hüter, nur ein uralter Wicht“, krächzte der
Zwerg und zeigte auf die drei Hügel.
„Jedoch wach ich über diese Schätze hier,
und so mancher Narr, geleitet von dem
Golde und der Gier, verlor nicht nur sein
Leben hier. Nun sage mir bei diesen Seelen,
willst du mich denn nun auch bestehlen?“.
„Nein, nein“, antwortete der Priester
erschrocken, „Ich habe kein Interesse an
deinen Schätzen. Ich war auf dem Weg zu
einer kleinen Kapelle, doch als der Nebel
aufzog, habe ich mich verlaufen“.
„Aha! Verlaufen hast du dich?“, grinste der
Zwerg schelmisch, „Gern will ich dir helfen
nun, aber zuvor sollst du mir ein Gefallen
tun“.
Der Priester, nun ahnend wer für seine
missliche Lage verantwortlich war,
antwortete vorsichtig, „Dann sage mir, was
das für ein Gefallen ist, und ich will sehen,
was ich tun kann“.
Freudig begann der Zwerg zu singen und zu
springen, „Seit vielen Jahren wach ich schon,
über Grab und Schatz des
Stammesfürstensohn. Zum Zeichen dieser
Ehrenbürde, verlieh man mir die
Königswürde. Doch es zwickt und drückt mich
sehr, denn die Krone ist so schwer. Nach
vielen Jahren wünsch ich sehr, das
irgendjemand kommt daher, der sie mir
nimmt und selbst aufsetzt und dann
geschwind sich zu mir setzt.“
Der Priester ahnte, dass er, sobald die Krone
auf seinem Haupte säße, für immer dort
gefangen wäre, und so ersann er sich eine
List, „Gerne helf ich dir. Nur ist die Krone
wohl zu klein für mich. Lass sie mich erstmal
probieren“.
Der Priester eilte zu dem Tische und tat so als
würde er sich setzen, doch, vor dem Blicke
des Zwerges durch seine Priesterrobe
geschützt, setzte er sich unbemerkt auf die
kleine Bibel, die er stets bei sich trug. Dann
nahm er flink die Krone vom Kopfe des
Zwerges und setzte sie sich auf sein Haupt.
Geblendet durch die Freude nun endlich
befreit zu sein, merkte der Zwerg aber nicht,
dass der Priester die Krone falsch herum
aufgesetzt hatte.
„Nun sage mir, Grabhüter, wo ist mein Weg?“,
sprach der Priester fordernd.
Der Zwerg tanzte und sprang vor Freude,
„Endlich bin ich nun befreit und auch gern
dazu bereit, dir den Weg nun aufzuzeigen
ohne weitre Rast und Reigen.“
Mit seinen kleinen Händen vollführte er
einige seltsame Bewegungen „Nun, durch
mein Wort, den Nebel fort. Den Weg kannst
du nun sehen, aber wirst ihn niemals gehen“,
lachte der Zwerg.
Doch sobald der Nebel verschwunden war,
sprang der Priester auf, warf die Krone fort
und rannte um sein Leben. Der Zwerg zeterte
und schrie vor Wut, doch der Priester war
entkommen.
Nachdem der Priester dies alles berichtet
hatte, wurde ein großer Zaun gebaut, der das
Wäldchen mit den Hügelgräbern darin
umschloss und es wurde bei Strafe verboten
den Zaun zu übersteigen.
Der Zaun ist zwar nicht mehr da, aber noch
heute wird das Gebiet vom Volke gemieden.
Noch immer wächst auf der Lichtung kein
einziger Baum und man erzählt sich, dass
man an besonders nebeligen Tagen, das
wütende Gepolter des Zwerges bis in die
nahe liegende Kapelle hören könne.